Facharbeit:

Transformation der kommunalen Wärmeversorgung durch die Nutzung dezentraler Umweltwärme an einem Beispielstandort in Dresden

Als Abschluss meiner 4-jährigen Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker für Elektrotechnik (Fachrichtung Energie- und Automatisierungstechnik) musste ich eine Abschlussarbeit schreiben. Da ich mich schon immer für regenerative Energiesysteme interessiert habe, habe ich dieses Thema mit notwendigen Fragestellungen aus meinem Aktivismus im Bereich der Kommunalpolitik verbunden.

Die gesamte Arbeit kann hier heruntergeladen werden

Bild: Satellitenbild des Gebiets, aufgenommen mit Google Maps (Markierung und Text wurden nachträglich eingefügt)

Kurzfassung

Die vorliegende Arbeit ist in zwei Teilen aufgebaut.

Folgende Haupterkenntnisse ergeben sich aus dem ersten Teil:

1. Da Wind- und Photovoltaikstrom (PV) in Zukunft einen Großteil der Primärenergieerzeugung ausmachen, ist auch die Primärenergie in Zukunft überwiegend elektrisch, statt wie heute in Form von fossilen Energieträgern chemisch.

2. Chemische Energie muss mit dem stark verlustbehafteten Power-to-Gas (PtG) Verfahren hergestellt werden, bei dem überschüssiger Wind- oder PV-Strom in synthetisches Gas umgewandelt wird. Das stellt heutige Effizienzvorstellungen grundlegend in Frage.

3. Es konnte gezeigt werden, dass die heute noch effiziente Kraft-Wärme-Kopplung in Zukunft durch die hohen Verluste beim PtG-Verfahren die ineffizienteste Technologie sein wird. Ihr gegenüber steht die Wärmepumpentechnologie mit einer fast 10-fachen Gesamteffizienz. Studien legen daher nahe, dass Wärmepumpen in Zukunft über 60% am gesamten Wärmemarkt ausmachen könnten.

4. Die hohe Effizienz der Wärmepumpen resultiert überwiegend daher, dass Wärmepumpen Wärmepotentiale der Umwelt (Umweltwärme) aus Luft, Wasser und Erde erschließen.

5. Für die Dresdner Fernwärmeversorgung konnte erörtert werden, dass für diese zukünftig ein PtG-Anteil von ca. 14-44% zur Verfügung steht. Mindestens die Hälfte der Fernwärmeversorgung muss von anderen Quellen, insbesondere von Umweltwärme, gedeckt werden.

6. Da die Effizienz von Wärmepumpen jedoch stark von der zu überwindenden Temperaturdifferenz abhängt und Umweltwärme meist auf einem geringen Temperaturniveau zur Verfügung steht, müssen die Fernwärmetemperaturen langfristig sinken. Für die Vorlauftemperaturen sollte dabei eine Senkung auf etwa die Hälfte des gegenwärtigen Niveaus angestrebt werden. Wenn die Fernwärmetemperaturen nicht gesenkt werden, wird das Potential der Umweltwärme stark reduziert und in der Zukunft wird ein hoher PtG-Anteil notwendig. Das wiederum würde den Primärenergieaufwand des Fernwärmenetzes erheblich steigern und dessen Rentabilität grundsätzlich in Frage stellen.

7. Die Umstellung der Fernwärmenetze auf niedrigere Temperaturen ist ein umfassend zu planender und transformativer Prozess, der sowohl die Verbraucherseite, als auch die Erzeugerseite betrifft. Heutige Auslegungen von Heizungen und Übergabestationen in Gebäuden, sowie neu gebaute Fernwärmetrassen die auf hohe Fernwärmetemperaturen ausgelegt sind, führen zu Lock-In-Effekten und erschweren die notwendige Transformation.

Zu diesen Erkenntnissen gibt es jedoch keine politischen Strategien auf kommunaler Ebene. Im Gegenteil, es werden noch immer Neubaugebiete an hohe Fernwärmetemperaturen angeschlossen und dabei noch als besonders effizient und klimaschonend argumentiert. Dabei führt ein weiterer Netzausbau und Gebäudeneubau mit hohen Vorlauftemperaturen zum Ausbau eines Szenarios, das den kosteneffizienten Szenarien der erwähnten Studien widerspricht. Um das Fernwärmenetz weiterhin mit hohen Temperaturen versorgen zu können, wäre ein erhöhter PtG-Anteil notwendig. Dies erhöht aber die Kosten des Gesamtsystems und kann dafür sorgen, dass die Gesamtkosten der Energiewende steigen. Mit dem Fernwärmenetzausbau wie er momentan erfolgt, lassen sich allenfalls die 2030er Emissionsziele erreichen. Langfristig führt er aber in eine Sackgasse. Das heißt er führt zu Pfadabhängigkeiten und Lock-In-Effekten und erschwert damit den kosteneffizienten Umbau zum Erreichen eines erneuerbaren Energiesystems.

Aus diesen Gründen wurden im zweiten Teil dieser Arbeit Wärmeversorgungsmöglichkeiten für ein konkretes Neubaugebiet in Dresden untersucht, welche die im ersten Teil genannten Erkenntnisse mitberücksichtigten.

Es stellt sich heraus, dass die Versorgung des Quartiers über den Fernwärmerücklauf eine sehr interessante Möglichkeit darstellt. Da für eine Temperaturabsenkung im gesamten Fernwärmenetz eine abschnittsweise Temperaturabsenkung notwendig ist, könnte mit einem über den Fernwärmerücklauf gespeistes Low-Ex-Sekundärnetz, mit wenig Aufwand ein neues Netzareal mit tieferem Temperaturniveau geschaffen werden, in welches auch erneuerbare Energien eingespeist werden können. Dies würde einen kooperativen Transformationspfad beschreiben und die Transformation langfristig unterstützen, statt sie wie der bisherige „Hochtemperatur-Fernwärmeausbau“ zu erschweren.

Für den Fall, dass sich gegen eine Versorgung über den Fernwärmerücklauf entschieden werden sollte, wurden daher noch Methoden zur Erschließung dezentraler Umweltwärme analysiert und die erkennbaren technischen Potentiale im Gebiet abgeschätzt.

Untersucht wurden Quarterislösungen der oberflächennahen Geothermie mittels Erdsondenfeld und Grundwasserwärmepumpe, sowie mit einer Flusswasserwärmepumpe, welche die Elbe als Wärmequelle nutzt. Zusätzlich wurde noch eine gebäudespezifische Lösung mittels Luftwärmepumpe analysiert. Die untersuchten Leistungsgrößen verliefen dabei ab ca. 200 kW (Gebäude) und bis 5 MW (Quartier).

Es zeigte sich, dass die Potentiale der Umweltwärme, bei einer wie hier angenommenen sehr dichten Bebauung, begrenzt sind und gerade im Winter oft an ihre Leistungsgrenze stoßen. Durch eine verbesserte Dämmung oder Wärmerückgewinnungsmaßnahmen können die Energiebedarfe aber so stark minimiert werden, dass die dezentralen Umweltwärmepotentiale in jedem Fall ausreichend sind. Auch eine sehr dichte Bebauung ist daher nicht auf die Versorgung über das Fernwärmenetz angewiesen.

Die Kosten der untersuchten Technologien wurden nicht betrachtet. Durch die stark schwankenden und in Zukunft steigenden CO2-Preise ist eine langfristige Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nur bedingt aussagefähig. Die Dynamiken der Energiesysteme werden sich grundlegend ändern und eine dezentrale Lösung garantiert eine Preisstabilität, weil sie weniger von externen Faktoren abhängig ist.

Die hier vorgelegte Arbeit soll die grundlegenden Wärmepotentiale und Möglichkeiten vor Ort darlegen und soll sowohl Investoren als auch Politik und Verwaltung als Anreiz dienen, detailliertere Untersuchungen für konkrete Energiekonzepte in Auftrag zu geben.

Besonders im Hinblick auf die grundlegende Überarbeitung des „Integrierten Energie-und Klimaschutzkonzeptes“ der Landeshauptstadt Dresden sind die hier gefundenen Erkenntnisse bedeutsam. Sie sollen genutzt werden, um den bisherigen Weg zu hinterfragen und ihn auf einen im Gesamtsystem effizienteren und kostengünstigeren Pfad lenken.